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Mehr Ideen: Mehr Nutzen? Oder mehr Unsinn? Hat das Ertragsgesetz im Ideenmanagement (Karola Läge) heute noch Gültigkeit?

Füh­ren mehr Ideen zu einem höhe­ren Nut­zen? Oder füh­ren mehr Ideen vor allem zu mehr unsin­ni­gen Ideen, zu einem höhe­ren Ver­wal­tungs­auf­wand und damit ins­ge­samt zu einem schlech­te­ren Ideen­ma­nage­ment? Die­se Fra­ge stel­len sich stra­te­gisch den­ken­de Ideen­ma­na­ger, und die­se Fra­ge stell­te sich auch Karo­la Läge, als sie 2002 ihre Dok­tor­ar­beit mit dem kla­ren Titel „Ideen­ma­nage­ment“ ver­öf­fent­lich­te. Für die Aus­wer­tung ver­wen­de­te sie vor allem Daten des 2017 unter­ge­gan­ge­nen Deut­schen Insti­tut für Betriebs­wirt­schaft dib, und zwar die Daten für die Jah­re 1975 bis 1999. Damit sind auch die aktu­ell­sten ver­wen­de­ten Daten inzwi­schen rund zwan­zig Jah­re alt. Zeit also, ein­mal an einem aktu­el­len Daten­satz zu über­prü­fen, ob die von Frau Läge so muster­gü­tig ent­wickel­te Theo­rie auch heu­te noch gül­tig ist.

Die Fra­ge, ob mehr Ideen zu mehr Nut­zen führt, hat Karo­la Läge in zwei Schrit­ten beant­wor­tet: zunächst unter­such­te sie, wie sich mit zuneh­men­der Anzahl an ein­ge­reich­ten Ideen die Anzahl der umge­setz­ten Ideen verändert.

Führe mehr Ideen zu mehr umgesetzten Ideen?

Die Fra­ge ist hier: Wenn mehr Ideen ein­ge­reicht wer­den – wer­den dann auch mehr Ideen umge­setzt? Oder sind unter den zusätz­lich ein­ge­reich­ten Ideen so vie­le schlech­te und unsin­ni­ge Ideen, dass kaum wei­te­re Ideen umge­setzt werden?

Als Daten­ba­sis wird die „Ideen­ma­nage­ment – Stu­die 2018“ ver­wen­det, die mit 261 Daten­sät­zen umfang­reich­ste aktu­el­le Erhe­bung zum Ideen­ma­nage­ment im deutsch­spra­chi­gen Raum (Land­mann & Schat 2018)

Die Gra­fik lässt ver­mu­ten, dass vie­le wei­te­re Ideen zu vie­len wei­te­ren Umset­zun­gen führen.

Umge­setz­te Ideen in Abhän­gig­keit von Ideen pro Jahr (eige­ne Dar­stel­lung, Daten aus Land­mann & Schat 2018)

Die Punkt­wol­ke kann durch die ein­ge­zeich­ne­te Gera­de reprä­sen­tiert wer­den. Bei Karo­la Läge lau­te­te die Glei­chung die­ser Gera­den (mit gerun­de­ten Wer­ten, Läge 2002, S. 37)

Umge­setz­te Ideen = ‑67.300 + 0,6 * Ein­ge­reich­te Ideen

Die aktu­el­len Daten füh­ren zur Gleichung

Umge­setz­te Ideen = 3,8 + 0,5 * Ein­ge­reich­te Ideen

Frau Läge ver­wen­de­te gemit­tel­te Daten (eben die Durch­schnit­te aus den Jah­ren 1975 bis 1999), die aktu­el­len Daten sind Daten der ein­zel­nen Orga­ni­sa­tio­nen. Daher sind die abso­lu­ten Ter­me der Glei­chun­gen (-67.300 und 3,8) nicht ver­gleich­bar. Ver­gleich­bar ist die Stei­gung der Gera­den (0,6 und 0,5). Dies ist der Anteil der zusätz­li­chen Ideen, die umge­setzt wer­den, also die Rea­li­sie­rungs­quo­te der zusätz­lich ein­ge­reich­ten Ideen. Die­se liegt bei bei­den Daten­sät­zen in der glei­chen Größenordnung.

Als Maß für die Güte der Glei­chung wird das Bestimmt­heits­maß r² ver­wen­det. Die­ses kann Wer­te zwi­schen 0 und 1 anneh­men, je grö­ßer der Wert, desto bes­ser passt die Glei­chung zu den Daten. Karo­la Läge gibt für ihre Daten ein Bestimmt­heits­maß von 0,99 (gerun­det) an, die aktu­el­len Daten zei­gen ein Bestimmt­heits­maß von 0,91. Bei der Ver­wen­dung von bereits gemit­tel­ten Daten ist ein höhe­res Bestimmt­heits­maß zu erwar­ten, nicht gemit­tel­te Daten wei­sen eine höhe­re Streu­ung auf. Für bei­de Glei­chun­gen ergibt sich ein sehr hohes Bestimmt­heits­maß, dass dar­auf schlie­ßen lässt, dass die Glei­chun­gen den Daten sehr ange­mes­sen sind.

Führen mehr Ideen zu höherem Nutzen?

In einem näch­sten Schritt über­prüf­te Karo­la Läge, ob mehr Ideen auch zu höhe­rem Nut­zen führen

Ein­spa­rung in Abhän­gig­keit von der Anzahl ein­ge­reich­ter Vor­schlä­ge (Läge 2002, S 44)

Die­se Dar­stel­lung sieht tat­säch­lich wie ein Ertrags­ge­setz aus: Eine gerin­ge Stei­ge­rung der Anzahl ein­ge­reich­ter Ideen führt zu kaum einer Stei­ge­rung des Nut­zens. Im fol­gen­den Abschnitt (ab etwa 400.000 ein­ge­reich­te Vor­schlä­ge) steigt die Ein­spa­rung fast line­ar an. Im letz­ten Abschnitt (ab knapp 800.000 ein­ge­reich­ten Vor­schlä­gen) ist kaum noch ein Anwach­sen der Ein­spa­rung zu beob­ach­ten. Die Ent­wick­lung der Jah­re 1997 bis 1999 könn­ten auf kon­junk­tu­rel­le Ent­wick­lun­gen oder Tech­no­lo­gie­sprün­ge zurück­zu­füh­ren sein (Läge 2002, S. 45). „Ertrags­ge­setz“ heißt die­se Kur­ve, weil sie die Ent­wick­lung der Ern­te mit stei­gen­dem Ein­satz von Arbeit zur Boden­be­ar­bei­tung, von Dün­ger etc. beschreibt und spä­ter auf die indu­stri­el­le Pro­duk­ti­on über­tra­gen wur­de (Guten­berg 1951, S. 305).

Die aktu­el­len Daten zei­gen ein ande­res Bild:

Bere­chen­ba­rer Nut­zen in Abhän­gig­keit von den Ideen pro Jahr (eige­ne Dar­stel­lung, Daten aus Land­mann und Schat 2018)

Die Punkt­wol­ke sieht sicher­lich nicht wie eine Ertrags­kur­ve aus. Die typi­schen drei Abschnit­te feh­len. Ins­be­son­de­re bei den Orga­ni­sa­tio­nen mit rela­tiv weni­gen Ideen pro Jahr fin­den sich sowohl Orga­ni­sa­tio­nen mit einem gerin­gen als auch Orga­ni­sa­tio­nen mit einem hohen Nut­zen. Erst ab viel­leicht 1.000 Ideen pro Jahr scheint der Nut­zen mehr oder weni­ger line­ar mit der Anzahl der Ideen pro Jahr zu stei­gen. Die ver­suchs­wei­se ein­ge­tra­ge­ne Gera­de kommt mit einem Bestimmt­heits­maß von 0,3. Das kann so inter­pre­tiert wer­den: Die Vari­anz des Nut­zens in einem Jahr wird zu 30 Pro­zent durch die Vari­anz der Anzahl der Ideen in die­sem Jahr erklärt.

30 Pro­zent ist ein guter Anfang – aber die­se Zahl bedeu­tet auch: 70 Pro­zent wer­den durch ande­re Fak­to­ren erklärt. Auf­grund der Aus­wer­tung unse­rer Stu­die kom­men hier Akti­vi­tä­ten des Ideen­ma­na­gers (Ein­satz akti­ver Ele­men­te, Coa­ching der Ein­rei­cher, Ver­ein­ba­rung von Zie­len) in den Sinn.

Fazit

Das „Ertrags­ge­setz im Ideen­ma­nage­ment“ wur­de für Daten bis 1996 über­zeu­gend dar­ge­stellt. Bereits für die Daten der Jah­re 1997 bis 1999 musst Zusatz­an­nah­men getrof­fen wer­den. Mit aktu­el­len Daten lässt sich kei­ne „Sät­ti­gung“ nach­wei­sen, im Gegen­teil: Mit stei­gen­der Anzahl der ein­ge­reich­ten Ideen ist auch ein stei­gen­der Nut­zen zu erwar­ten. Doch ist die Anzahl der ein­ge­reich­ten Ideen nicht der ein­zi­ge Hebel: Wenn Ideen­ma­na­ger aktiv dar­an arbei­ten, vie­le gute Ideen zu erhal­ten, dann steigt der Nut­zen wirk­lich an.

Als Hand­lungs­emp­feh­lung kann aus die­ser Aus­wer­tung gege­ben werden:

Kei­ne Angst vor vie­len Ideen – unter vie­len Ideen sind auch vie­le gute Ideen.

Die Men­ge der Ideen allei­ne führt nicht zu einem opti­ma­len Ideen­ma­nage­ment. Vie­le gute Ideen müs­sen das Ziel des Ideen­ma­nage­ments sein. Hier­zu kann ein Ideenmanager

  • als Pro­zess- und Metho­den­coach agieren
  • akti­ve Ele­men­te einsetzen
  • Ziel für das Ideen­ma­nage­ment vereinbaren.

Literatur

Guten­berg, Erich 1951: Grund­la­gen der Betriebs­wirt­schafts­leh­re. Erster Band: Die Pro­duk­ti­on. Ber­lin, Hei­del­berg, New York: Springer.

Läge, Karo­la 2002: Ideen­ma­nage­ment. Grund­la­gen, opti­ma­le Steue­rung und Con­trol­ling. Wies­ba­den: Deut­scher Uni­ver­si­täts­ver­lag. Zugleich Dis­ser­ta­ti­on Mag­de­burg 2002.

Land­mann, Nils & Schat, Hans-Die­ter: Ideen­ma­nage­ment – Stu­die 2018. Esch­born: HLP.

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