Eine der häufigen Fragen, die unter Ideenmanagern diskutiert werden: Nützt eine hohe Prämie?
In diesem Beitrag soll die Frage konkret für die Anerkennungsprämie diskutiert werden. Anerkennungsprämien sind Prämien für Ideen, die nicht umgesetzt werden. Manchmal liegt der Grund dafür, dass eine Idee nicht umgesetzt wird, ausschließlich beim Unternehmen: Wenn beispielsweise eine Anlage oder ein Prozess in der nächsten Zeit ohnehin abgeschafft oder umgestellt wird, der Einreicher dies aber nicht wissen kann.
Viele Unternehmen und Behörden sagen in diesen Fällen: Der Einreicher soll wenigstens eine Anerkennungsprämie bekommen. Damit wird die Enttäuschung abgemildert und der Einreicher vielleicht motiviert, bei Gelegenheit eine neue Idee einzureichen.
Ob eine Anerkennungsprämie so wirkt, darüber kann man lange diskutieren, eine Entscheidung kann nur der Blick in die Realität der Unternehmen und Behörden geben. Anders als Prämien für realisierte Ideen gibt es keinen juristischen Grund für eine Anerkennungsprämie, es sei denn, eine Betriebsvereinbarung wurde hierzu geschlossen.
Schauen wir uns die aktuelle Datenlage an. Um diesen Blog-Beitrag nicht zu umfangreich werden zu lassen möchte ich mich hier auf die Prämien für Ideen und Verbesserungsvorschläge mit berechenbarem Nutzen beschränken.
Die empirische Basis sind Daten aus der Erhebung „Erfolgsfaktoren im Ideenmanagement“, die die FOM Hochschule für Oekonomie und Management gemeinsam mit der HLP Informationsmanagement GmbH durchführt. Die Daten der beiden Wellen 2016 und 2017⁄18 wurden zusammengeführt. Bei Unternehmen, die sich an beiden Wellen beteiligt haben, wurden die Daten der letzten Welle verwendet. Damit steht ein Datensatz mit Angaben zu 261 Unternehmen und ihrem Ideenmanagement zur Verfügung, dies ist meines Wissens nach der größte aktuelle Datensatz zum Ideenmanagement im deutschsprachigen Raum.
Zunächst die Frage: Welche Anerkennungsprämien geben Unternehmen und Behörden? Es ergibt sich folgende Verteilung.
Boxplot Anerkennungsprämie (eigene Darstellung, Daten nach Landmann & Schat 2018)
Der Median liegt bei 17 Euro, eine Hälfte der Unternehmen und Behörden gibt also maximal 17 Euro als Anerkennungsprämie für eine Idee aus. In der anderen Hälfte der Unternehmen und Behörden gibt es mehr – bis maximal 300 Euro pro Idee. Diese hohen Anerkennungsprämien gibt es allerdings relativ selten: Das dritte Quantil liegt bei 47 Euro, d. h. ein Viertel der Befragten gibt als Anerkennungsprämie 47 Euro oder mehr an. Die durchschnittliche Anerkennungsprämie beträgt 37,71 Euro.
Die meisten Unternehmen verfolgen mit ihrem Ideenmanagement wirtschaftliche Ziele und /oder humanorientierte Ziele. Die wirtschaftlichen Ziele werden in Euro rechenbarem Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr angegeben. Auch hier zunächst die grafische Darstellung:
Ankennungsprämie und rechenbare Einsparung pro Mitarbeiter (eigene Darstellung, Daten nach Landmann & Schat 2018)
Hier fällt zunächst die Zweiteilung der Höhe der Anerkennungsprämie auf: Entweder die Prämie liegt deutlich unter 100 Euro, oder sie liegt bei 200 Euro und mehr. Demnach gibt es zwei Ansätze: Für die einen ist die Anerkennungsprämie eher ein Trostpreis mit eher symbolischen Wert – so wie die Notizblöcke, die ich als Einreicher häufig erhalten habe und auf denen ich noch Jahre geschrieben habe, nach dem ich mich aus diesem Unternehmen verabschiedet hatte.
Für die andere „Schule“ ist eine Anerkennungsprämie eine echte Anerkennung und fast schon ein Ersatz für die Prämie, die der Einreicher nicht erhält – und zwar nicht erhält aus Gründen, die er selbst nicht vertreten und zum Teil ja auch nicht einsehen kann.
In einem mir bekannten Fall wird einen solch hohe Anerkennungsprämie genutzt für Beschäftigte, die nach allgemeiner Einschätzung zu gering entlohnt werden, die aus tarifrechtlichen Gründen aber nicht höher eingestuft werden können. Diese Beschäftigten reichen ein- oder zweimal im Jahr einen unsinnigen Vorschlag ein, erhalten in diesem Fall knapp 300 Euro Anerkennungsprämie, und kommen so näher an das als gerecht empfundene Einkommen. Das hat zwar nichts mit dem Ideenmanagement zu tun, ist aber Realität und könnte sich auch in dieser Statistik niederschlagen.
Viele Unternehmen und Behörden finden sich im linken unteren Quadranten, geben also eine geringe Anerkennungsprämie und eine geringe rechenbare Einsparung pro Mitarbeiter an – möglicherweise findet sich hier das ein oder andere Ideenmanagement, das nicht richtig gelebt und ernsthaft betrieben wird, möglicherweise findet sich aber hier auch Unternehmen und Behörden, die ihr Ideenmanagement gerade neu eingeführt oder auch kürzlich optimiert haben: Dann benötigt ein Ideenmanagement einfach noch Zeit, um richtige Früchte zu tragen.
Einige wenige Unternehmen und Behörden schütten hohe Anerkennungsprämien aus, erhalten aber nur eine geringe rechenbare Einsparung pro Mitarbeiter. Aus den vier hier vertretenen Unternehmen und Behörden wird man eine allgemeingültigen Schlüsse ziehen können.
Mit einer eher geringen Anerkennungsprämie realisieren einige Unternehmen und Behörden eine rechenbare Einsparung pro Mitarbeiter und Jahr von deutlich über 1000 Euro, in Einzelfällen sogar über 4000 Euro. Hier finden sich auch Unternehmen und Behörden, die überhaupt keine Anerkennungsprämie bezahlen. Auf jeden Fall kann man hier schließen: Um einen hohen rechenbaren Nutzen zu erwirtschaften sind keine hohen Anerkennungsprämien, vielleicht sogar überhaupt keine Anerkennungsprämien notwendig.
Der vierte Quadrant schließlich ist leer: Kein einziges Unternehmen, keine einzige Behörde erreicht eine hohe rechenbare Einsparung mit einer hohen Anerkennungsprämie. Hohe Anerkennungsprämien führen nicht zu einem wirtschaftlich erfolgreichen Ideenmanagement. Wirtschaftlich erfolgreich kann ein Ideenmanager sogar ganz ohne eine Anerkennungsprämie sein.
Doch Ideenmanager verfolgen nicht nur wirtschaftliche Ziele. In einigen Unternehmen und Behörden ist das Ideenmanagement ein Führungsinstrument und dient der Arbeit an der Betriebskultur. In diesen Fällen ist Beteiligungsquote die typische Kennzahl.
Anerkennungsprämie und Beteiligungsquote (eigene Darstellung, Daten nach Landmann & Schat 2018)
Bei der Beteiligungsquote sind keine Ausreißer zu beobachten. Mehr als 100 Prozent Beteiligung sind nicht möglich und wurden auch nicht angegeben. Bei der Betrachtung der Grafik fällt auf, dass keine Unternehmen eine sehr große Anerkennungsprämienhöhe und eine hohe Beteiligungsquote angegeben haben. Ansonsten finden sich hohe Anerkennungsprämie mit geringer Beteiligung sowie geringer Anerkennungsprämie mit geringer wie auch mit hoher Beteiligung gekoppelt. Die grafische Auswertung lässt auch für die Beteiligungsquote nur einen geringen Zusammenhang mit der Prämienhöhe für rechenbare Vorschläge vermuten.
Anders formuliert: Eine hohe Anerkennungsprämie führt nicht zu hoher Beteiligung – obwohl die Beschäftigten ja mit einer relativ trivialen Idee eine Anerkennungsprämie von zwei- oder dreihundert Euro einsammeln könnten. Offensichtlich sind die Kollegen nicht in dem Maße käuflich.
Sehen wir uns abschließend die Zusammenhänge in der Heatmap an. Hier zeigen blaue Farbtöne einen positiven Zusammenhang an (je mehr von einer Variablen, desto mehr tendenziell von der anderen Variablen) und rote Farben zeigen einen negativen Zusammenhang an. Intensive Farben stellen einen starken Zusammenhang dar, blasse Farben zeigen einen schwachen Zusammenhang.
Heatmap Anerkennungsprämie (eigene Darstellung, Daten nach Landmann & Schat 2018)
Wie nach den grafischen Auswertungen zu erwarten war, finden sich hier die blasseren Farbtöne: Die Zusammenhänge sind eher locker.
Tendenziell hängen hoher rechenbarer Nutzen und geringe Anerkennungsprämien zusammen: Es scheint, dass man mit hoher Prämie (alleine) nicht unbedingt einen hohen wirtschaftlichen Nutzen des Ideenmanagements „kaufen“ kann.
Ebenso sieht es bei der Beteiligungsquote aus: Hier hängen hohe Beteiligungsquote und geringe Anerkennungsprämien tendenziell zusammen. Der Zusammenhang ist noch stärker ausgeprägt als beim rechenbaren Nutzen.
Lediglich die beiden Zielgrößen, also der rechenbare Nutzen pro Mitarbeiter und die Beteiligungsquote, stehen in einem deutlich positiven Verhältnis: Wenn sich viele Beschäftigte am Ideenmanagement beteiligen, dann sind unter den vielen Ideen immer wieder auch richtig gute Ideen mit hoher Einsparung, so dass die rechenbare Einsparung pro Mitarbeiter und Jahr steigt. Platt gesagt: Mit einer hohen Prämie für nicht umgesetzte Ideen kann man weder Einsparungen noch Beteiligung kaufen. Aber man kann mit einer geringen, sogar mit gar keiner Anerkennungsprämie einen hohen wirtschaftlichen Nutzen und eine breite Beteiligung der Beschäftigten organisieren.
Die effektiven Hebel, mit denen ein Ideenmanagement verbessert werden kann, sind offenkundig andere als die Höhe Anerkennungsprämie, diese ist sogar tendenziell schädlich.
Für Fragen, Anregungen, Verbesserungen und Wünsche nach weiteren Auswertungen nutzen Sie bitte gerne die Kommentarfunktion.
Literatur
Landmann, Nils & Schat, Hans-Dieter 2018: Ideenmanagement — Studie 2018. Eschborn: HLP.