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Zukunftsrepublik 80 Vorausdenker*innen springen in das Jahr 2030 — Eine Rezension

Es gibt Men­schen, die möch­ten Pro­ble­me lösen, Schwie­rig­kei­ten ver­mei­den oder Hin­der­nis­se weg­räu­men. Die­se Men­schen sind durch „weg von“ moti­viert. Ande­re Men­schen möch­ten Zie­le errei­chen, Pro­jek­te rea­li­sie­ren oder einer Visi­on fol­gen. Die­se Men­schen sind durch „hin zu“ motiviert.

Genau die­ses „Wohin“ adres­siert ein neu­es Buch mit dem Titel „Zukunfts­re­pu­blik 80 Vorausdenker*innen sprin­gen in das Jahr 2030“. Die­se Vorausdenker*innen sind eine bun­te Mischung, dan­kens­wer­ter­wei­se sind nur weni­ge der „übli­chen Ver­däch­ti­gen“ dabei. Eini­ge gehen noch zur Schu­le oder stu­die­ren, eini­ge sind auch pro­fes­sio­nel­le Inno­va­ti­ons­wis­sen­schaft­ler oder erfolg­rei­che Prak­ti­ker in die­sem Bereich.

Es gibt Men­schen, die möch­ten Pro­ble­me lösen, Schwie­rig­kei­ten ver­mei­den oder Hin­der­nis­se weg­räu­men. Die­se Men­schen sind durch „weg von“ moti­viert. Ande­re Men­schen möch­ten Zie­le errei­chen, Pro­jek­te rea­li­sie­ren oder einer Visi­on fol­gen. Die­se Men­schen sind durch „hin zu“ motiviert.

Im Ideen­ma­nage­ment haben wir es häu­fig mit einem „weg von“ zu tun: Ver­schwen­dun­gen sol­len ver­mie­den, unver­nünf­ti­ge Pro­zes­se besei­tig und Unord­nung ver­mie­den wer­den. Das ist auch gut so. Aber manch­mal blei­ben das „wohin“, das Ziel, die Visi­on, unter­be­lich­tet. Auch wenn ich zum Ideen­ma­nage­ment bera­te geht es meist dar­um, schlech­te Zustän­de abzu­stel­len und nur sel­ten dar­um, einer Visi­on für ein gutes Ideen­ma­nage­ment zu folgen.

Genau die­ses „Wohin“ adres­siert ein neu­es Buch mit dem Titel „Zukunfts­re­pu­blik 80 Vorausdenker*Innen sprin­gen in das Jahr 2030“. Wie die­se acht­zig Vor­aus­den­ker Innen zusam­men­ge­stellt wur­den, das erfah­ren wir nicht. Es ist eine bun­te Mischung, dan­kens­wer­ter­wei­se sind nur weni­ge der „übli­chen Ver­däch­ti­gen“ dabei. Eini­ge gehen noch zur Schu­le oder stu­die­ren, eini­ge sind auch pro­fes­sio­nel­le Inno­va­ti­ons­wis­sen­schaft­ler oder erfolg­rei­che Prak­ti­ker in die­sem Bereich, und vie­le der Befrag­ten kom­men aus ganz ande­ren Berei­chen. Ad hoc hät­te ich viel­leicht zehn Pro­zent irgend­wie zuord­nen kön­nen. Eine kur­ze bio­gra­fi­sche Notiz am Ende jeden Bei­trags hilft bei der Einordnung.

Grund­sätz­lich ist das Jahr 2030 als Ziel gut gewählt: Neun Jah­re sind eine Zeit, in der sich wirk­lich etwas ent­wickeln kann. Ande­rer­seits: In neun Jah­ren wer­den sich nicht alle Din­ge ganz grund­sätz­lich ändern. Erin­nern wir uns an die Zeit vor neun Jah­ren: 2012 waren wir mit den Aus­wir­kun­gen der Ban­ken- und der Euro­kri­se beschäf­tigt. Seit­her haben wir uns an nied­ri­ge Zin­sen gewöhnt, die Bedeu­tung von Infor­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik hat wei­ter zuge­nom­men – aber wir woh­nen immer noch in Häu­sern, fah­ren mit dem Auto oder der Bahn und ver­die­nen unser Geld nicht sehr viel anders. Und so wird auch die Welt in neun Jah­ren, also 2030, anders sein als die heu­ti­ge Welt, aber es wird kei­ne voll­stän­dig ande­re Welt sein.

Bei 77 Tex­ten von 80 Autoren sind unter­schied­li­che Qua­li­tä­ten zu erwar­ten, und tat­säch­lich bie­ten eini­ge Tex­te nur Lösun­gen, die in der Ver­gan­gen­heit schon nicht funk­tio­niert haben. Bei­spiel: Im Jahr 2030 gibt es kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung im Arbeits­le­ben mehr, weil die Bun­des­re­gie­rung eine Auf­klä­rungs­kam­pa­gne gestar­tet und die anony­me Bewer­bung ein­ge­führt hat. Nein, irgend­wie glau­be ich nicht daran.

Das Buch besteh aus ein­zel­nen Tex­ten, es gibt kei­ne syste­ma­ti­sche Zusam­men­fas­sung. Zumin­dest eine unsy­ste­ma­ti­sche Zusam­men­fas­sung möch­te ich hier ver­su­chen, also eine Liste von Trends, die in den Tex­ten immer und immer wie­der ange­spro­chen werden:

Ethik spielt im Jahr 2030 in der Wirt­schaft eine grö­ße­re Rol­le. Es gibt „bes­se­re Unter­neh­men“ und „bes­se­re Arbeit“. Das heißt kon­kret: Kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung nach Geschlecht oder Her­kunft, Fami­li­en- und Pfle­ge­ar­beit steht der Erwerbs­tä­tig­keit gleich und es wird nach­hal­ti­ger gewirt­schaf­tet. Aber auch Woh­nen und Trans­port wer­den nach­hal­ti­ger orga­ni­siert. Es gibt weni­ger „schlech­te“ Unter­neh­men, hier­zu wer­den Schlacht­hö­fe und Waf­fen­her­stel­ler gezählt, aber auch rück­sichts­lo­se Inter­net- und Social­me­dia­un­ter­neh­men. Es gibt über­haupt weni­ger „schlech­te“ Arbeit­ge­ber – auch die öffent­li­che Ver­wal­tung und non-pro­fit Orga­ni­sa­tio­nen müs­sen sich hier anpas­sen. Der Sinn der Arbeit ist 2030 wich­ti­ger, das Ein­kom­men weni­ger wich­tig als heu­te – auch, weil es ein bedin­gungs­lo­ses Grund­ein­kom­men gibt und so die Not­wen­dig­keit von Erwerbs­ar­beit entfällt.

Die Digi­ta­li­sie­rung ist 2030 noch stär­ker vor­an­ge­kom­men, es gibt mehr vir­tu­el­le Arbeits­um­ge­bun­gen und natür­lich mehr Home­of­fice oder mobi­le Arbeit. Mehr Men­schen grün­den ihr eige­nes Unter­neh­men und es gibt weni­ger feste Arbeits­zei­ten bis hin zum Modell des „Work-Life Blen­ding“, bei dem Men­schen tun, was ihnen wich­tig ist und Arbeit und Frei­zeit nicht mehr scharf getrennt sind. Durch die stär­ke­re Digi­ta­li­sie­rung wird die Arbeit auch deut­li­che Effi­zi­en­ter, was dann die Res­sour­cen für die bes­se­re Arbeits­welt bereitstellt.

In allen Berei­chen, Arbeit, Digi­ta­li­sie­rung, Bil­dung und so wei­ter, ist Deutsch­land 2030 inno­va­ti­ver und inno­va­ti­ons­freund­li­cher als das Deutsch­land 2021 – so hof­fen die Befrag­ten zumindest.

Stär­ke­re Digi­ta­li­sie­rung ver­langt, dass sich Men­schen bes­ser mit der Infor­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik aus­ken­nen: Das The­ma Bil­dung rückt in den Fokus. Ganz kon­kret wer­den die Visio­nen hier nicht, aber Bil­dung wird auf jeden Fall digi­tal unter­stützt, ger­ne auch durch künst­li­che Intel­li­genz. Digi­ta­li­sie­rung ist also ein­mal der Inhalt und zum ande­ren ein Medi­um des Ler­nens, und bei­des kann sich wech­sel­wei­se ver­stär­ken. Ganz wich­tig ist auch im Jahr 2030 Bil­dung durch Men­schen, durch Leh­rer oder Men­to­ren. Min­de­stens so wich­tig wie Fach­kennt­nis­se, etwa zur Digi­ta­li­sie­rung, sind die per­sön­li­chen oder die „wei­chen“ Kom­pe­ten­zen. Die­se sozia­len und Metho­den­kom­pe­ten­zen wer­den benö­tigt, wenn sinn­vol­le Arbeit und Ethik wich­ti­ger wer­den. Bil­dung wird 2030 stär­ker auf Kom­pe­ten­zen und weni­ger auf Abschlüs­se und Zer­ti­fi­ka­te kon­zen­triert sein, und selbst­ver­ständ­lich nicht nach der ersten Aus­bil­dung enden, son­dern als lebens­lan­ges Ler­nen kon­zi­piert sein.

Wer­den Digi­ta­li­sie­rung und Vir­tua­li­sie­rung dazu füh­ren, dass mehr Men­schen auf dem Land leben und arbei­ten, oder sind im Jahr 2030 Städ­te die Punk­te, an denen alle Res­sour­cen für Inno­va­tio­nen zusam­men kom­men? Da sind sich die Befrag­ten nicht einig.

Gesund­heit ist im Jahr 2030 wich­tig und wird stark digi­tal unter­stützt, von der auto­ma­ti­schen Erhe­bung und Ver­ar­bei­tung von Kör­per­zu­stän­den bis zu indi­vi­dua­li­sier­ten Pil­le aus dem 3 D Drucker. Neben der phy­si­schen wird auch die psy­chi­sche Gesund­heit gut gefördert.

An poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen wer­den sich 2030 mehr Men­schen betei­li­gen, auf jeden Fall mehr Bür­ger, viel­leicht auch mehr Wis­sen­schaft­ler oder Fach­leu­te für das ent­spre­chen­de The­ma. Wie genau dies funk­tio­nie­ren soll, da sind sich die Befrag­ten nicht ganz einig, aber auf jeden Fall digi­tal unterstützt.

Ein­zel­ne Natio­nen spie­len 2030 eine gerin­ge­re Rol­le, die „Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Euro­pa“ arbei­ten auf Augen­hö­he mit den USA, Chi­na und Russ­land. Das heißt auch: Wirt­schaft­li­che Stär­ke und Inno­va­ti­ons­ge­schwin­dig­keit ent­spre­chen min­de­stens dem der USA und Chi­nas. Inno­va­ti­ons­ge­schwin­dig­keit meint dabei zum einen die Geschwin­dig­keit, mit der Inno­va­tio­nen ent­wickelt und markt­reif gemacht wer­den, Inno­va­ti­ons­ge­schwin­dig­keit meint aber auch eine schnel­le Akzep­tanz durch die Kun­den, die Bevöl­ke­rung, und eine ent­spre­chend hohe Neu­gier­de und Risikobereitschaft.

Soweit die­se Zusam­men­fas­sung. Das Buch gibt immer wie­der Denkan­re­gun­gen und Aus­sa­gen, die in der „eige­nen Bubble“ wohl nicht zu fin­den sind. Allei­ne das macht es lesenswert.

Und rein prak­tisch: Wer ein­mal ein „gutes Zukunfts-Zitat“ benö­tigt, ist hier auch gut aufgehoben.