Konzept
Die statistischen Zusammenhänge im Ideenmanagement interessieren mich. Dabei finden sich bestimmte Kennzahlen, die im deutschsprachigen Raum immer wieder gebenchmarkt und miteinander verrechnet werden. Dies sind etwa:
- Beteiligungsquote
- Realisierungsquote
- Bearbeitungsdauer
- Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr
- Nutzen pro umgesetzter Idee
Praktisch alle mir bekannten Auswertungen basieren auf derartigen Kennzahlen.
Daher wurde ich neugierig, als mir der Text „Quantifying a Culture of Innovation“ des US-amerikanischen Softwarehauses „Spigit“ in die Hände kam, der mit anders berechneten Kennzahlen argumentiert. Basis in diesem Text sind
- Größe: Anzahl der Beteiligten am Ideenmanagement
- Häufigkeit: Anzahl der „ideation projects”, also wohl der eingereichten Ideen
- Engagement: Anzahl der „active participations“, vielleicht der eingereichten Ideen pro Beteiligtem
- Vielfallt: Beteiligung von Beschäftigten aus unterschiedlichen Hierarchiestufen und aus unterschiedlichen Abteilungen.
- Innovationsrate: „winning ideas“ pro Beteiligem, also wohl umgesetzte Ideen pro Beteiligtem.
Der Text von Spigit stellt nun drei Behauptungen auf:
- Innovationsrate ist eine gute Erfolgskennziffer von Ideenmanagement und
- die Innovationsrate korreliert positiv mit den vier zuerst genannten Größen.
- die Innovationsrate korreliert mit Wachstum des Unternehmensgewinns.
Der größte Unterschied liegt im Nenner: Spigit ermittelt die Anzahl der Ideen pro Teilnehmer am Ideenmanagement, nicht pro Beschäftigtem, so wie dies traditionell üblich ist. Zum einen kann dies daran liegen, dass Spigit Plattformen für kollaboratives Ideenmanagement für die Kundenunternehmen betreibt und dort die Anzahl der Aktiven ermitteln kann, die Anzahl der Beschäftigten in den Kundenunternehmen aber möglicherweise gar nicht kennt.
Andererseits kommt ja immer wieder die Diskussion auf, ob z. B. für die Ermittlung der benötigten Kapazitäten eines Ideenmanagements die Anzahl der Beschäftigten oder die Anzahl der Ideen die angemessenere Basis ist. Das Argument gegen „Beschäftigte“ lautet: Wenn sich in einem Unternehmen 1.000 Beschäftigte am Ideenmanagement beteiligen, dann generieren diese die Arbeit des Ideenmanagers. Ob es im Unternehmen weitere 10.000 Beschäftigte ohne Kontakt zum Ideenmanagement gibt oder nicht – das ist für die Arbeit des Ideenmanagers gleichgültig.
Vielleicht folgt Spigit diesem Ansatz.
Die Kennzahlen
Der Spigit-Text stellt die Kennzahlen einfach dar, ohne jede Definition oder Begründung. Daher kann ich nur vermuten, dass ich mit den folgenden Operationalisierungen in etwa das treffe, was die Spigit-Autoren selbst ausgewertet haben.
Größe, Häufigkeit, Engagement und die Innovationsrate können mit den Daten der Ideenmanagement Studie 2018 abgebildet werden. Versuchen wir, die hier vorgeschlagenen Zusammenhänge zu überprüfen.
In unseren Daten finden sich Organisationen mit bis zu 55.000 Einreichern.
Die Häufigkeit ist die Anzahl der eingereichten Ideen pro Jahr, hat in diesem Datensatz ein Maximum von 50.000 bei einem Mittelwert von 2.374 und einem Median von 500.
Durchschnittlich reichen die Einreicher 2,8 Ideen pro Jahr ein, der Median liegt bei einer Idee pro Einreicher und Jahr. Dies entspricht dem „Engagement“ bei Spigit.
Zu diesen drei Variablen gibt Spigit leider keine Werte aus ihrem eigenen Datensatz an. Anders bei der Innovationsrate. Hier zeigt Spigit mehrheitlich Werte kleiner als 1 an. Beispielsweise hat ein in diesem Paper hoch gelobtes Unternehmen 500 umgesetzte Ideen pro 1.000 Beschäftigte. In unserem Datensatz haben wir einen Median von 0,4 und einen Durchschnitt von 1,3 realisierten Ideen pro Einreicher und Jahr. Demnach scheinen die Daten der Größenordnung nach vergleichbar zu sein.
Innovationsrate und Größe
Sowohl Innovationsrate als auch Größe haben in unseren Daten Ausreißer. Wenn man die Innovationsrate auf 10 umgesetzte Ideen pro Einreicher und die Größe auf 20.000 Einreicher beschränkt, so ergibt sich dies Bild:
Das Streudiagramm verspricht keinen großen Zusammenhang: Bis auf den Quadranten mit hoher Innovationsrate und großer Einreicherschaft sind alle Quadranten gut besetzt. Die Masse der Punkte scharrt sich um den Ursprung. In der Tat ist die Korrelation mit p=0,7 nicht signifikant. Die Effektstärke wäre mit r=0,03 auch sehr gering.
Innovationsrate und Häufigkeit
Ganz anders sieht das Streudiagram für die Ideen pro Jahr und die Innovationsrate aus.
Diese Korrelation ist mit p<0,001 hoch signifikant und weist mit r=0,35 eine beachtliche Effektstärke auf. Wenn die Anzahl der umgesetzten Ideen pro Einreicher und Jahr mit der absoluten Anzahl der eingereichten Ideen pro Jahr steigt, dann müssten große Organisationen mit einem hohen Aufkommen an Ideen diese zu einem größeren Teil umsetzen.
Die Anzahl der Ideen wurde ebenfalls um Ausreißer größer 20.000 Ideen pro Jahr bereinigt.
Innovationsrate und Engagement
Der Zusammenhang von eingereichten Ideen pro Einreicher und Innovationsrate scheint deutlich zu bestehen:
Diese Korrelation ist mit p<0,001 hoch signifikant und weist mit r=0,7 eine sehr hohe Effektstärke auf. Bei näherem Überlegen ist dieser hohe Zusammenhang auch zu erwarten: Wenn die Einreicher mehr Ideen einreichen, dann werden auch mehr Ideen pro Einreicher umgesetzt. Die Steigung der Regressionsgeraden spiegelt die Realisierungsquote wider.
Innovationsrate und Berechenbarer Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr
Zum Abschluss noch die Frage: In wie weit bringt die Innovationsrate neue Informationen? Dazu habe ich sie mit der üblicherweise verwendeten Erfolgskennzahl, dem berechenbaren Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr, korreliert.
Die Korrelation ist hoch signifikant (p<0,001) und zeigt mit r=0,35 eine hohe Effektstärke. Die zusätzlichen Informationen, die die Innovationsrate mit sich bringt, halten sich also in Grenzen.
Dennoch kann es sinnvoll sein, diese Kennzahl bei Gelegenheit mit auszuwerten und zu prüfen, ob sie an der ein oder anderen Stelle zu zusätzlichen Erkenntnissen führt.
Fazit
Das Paper hat einen Ansatz gewählt, der zum Nachrechnen anregt. Drei der von Spigit postulierten Zusammenhänge konnten mit den Daten der Ideenmanagement Studie 2018 wiederholt werden. Ein Zusammenhang zeigt sich in unseren Daten nicht, ein anderer Zusammenhang war nach der Definition der Variablen zu erwarten.
Übrig bleibt der Vorschlag, dass größere Organisationen mit vielen Ideen pro Jahr auch viele Ideen pro Einreicher umsetzen, also ein effizienteres Ideenmanagement betreiben. Diesem Vorschlag werden wir sicherlich noch weiter nachgehen.
Literatur
Landmann N & Schat HD Ideenmanagement Studie 2018. Eschborn: HLP. Nähere Informationen unter https://www.hlp.de/studien
Spigit o. J. Quantifying a Culture of Innovation