Ideenmanagement wurde als Betriebliches Vorschlagswesen in den großen Industriebetrieben am Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt. Heutige Banken und Versicherungen sind in mancherlei Hinsicht der Gegenpol zu den jenen alten Produktionsstätten.
Auch in Banken und Versicherungen wird Ideenmanagement eingesetzt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Kann das funktionieren?
Über diese Frage kann man lange diskutieren – oder sich die Realität anschauen.
Die empirische Basis für diesen Blog-Beitrag sind Daten aus der Erhebung „Ideenmanagement Studie 2018“, die die FOM Hochschule für Oekonomie und Management gemeinsam mit dem Lösungsanbieter HLP Informationsmanagement GmbH durchführte (Link zur Studie). Damit steht ein Datensatz mit Angaben zu 261 Organisationen und ihrem Ideenmanagement zur Verfügung. Dies ist unseres Wissens nach der größte aktuelle Datensatz zum Ideenmanagement im deutschsprachigen Raum.
Unter den 261 Organisationen finden sich auch 22 Banken und Versicherungen. Damit ist zwar nur eine vorsichtige, explorative Auswertung möglich – aber immerhin lassen sich so erste Vergleiche anstellen.
Zunächst einige Kennzahlen. In einigen Fällen wurden sehr hohe Werte berichtet. Daher werden hier zusätzlich den Mittelwerten auch der Median angegeben. Der Median teilt die Gruppe in zwei Hälften. Am Beispiel: Eine Hälfte der Banken und Versicherungen erhält weniger als 12 Ideen und Verbesserungsvorschläge pro 100 Beschäftigte und Jahr. Die andere Hälfte erhält mehr als 12 Ideen: Der Median beträgt 12 Ideen.
Banken und Versicherungen | andere Organisationen | |
eingereichte Ideen pro 100 Beschäftigten und Jahr (Durchschnitt) | 15 | 173 |
eingereichte Ideen pro 100 Beschäftigen und Jahr (Median) | 12 | 16 |
Beteiligungsquote (Durchschnitt) | 16 % | 30 % |
Beteiligungsquote (Median) | 10 % | 21 % |
Realisierungsquote (Durchschnitt) | 25 % | 45 % |
Realisierungsquote (Median) | 20 % | 45 % |
Berechenbarer Nutzen pro Beschäftigtem und Jahr (Durchschnitt) | 556 € | 601 € |
Berechenbarer Nutzen pro Beschäftigtem und Jahr (Median) | 88 € | 232 € |
Return on Invest (Durchschnittt) | 3 | 3 |
Return on Invest (Median) | 1,5 | 2,5 |
Funktioniert Ideenmanagement in Banken und Versicherungen? Zunächst: Nicht alle Teilnehmer unserer Befragung haben alle Felder ausgefüllt. So liegen für einige Variablen deutlich weniger als 22 Angaben vor. Daher lassen sich in aller Vorsicht nur zwei Aussagen treffen:
- Die Beschäftigten in Banken und Versicherungen scheinen sich mit deutlich weniger Ideen zu beteiligen, und diese Ideen werden zu einem geringeren Anteil umgesetzt.
- In Banken und Versicherungen kann Ideenmanagement mit hohem (berechenbaren) Nutzen durchgeführt werden. Für jeden Euro, den eine Bank oder Versicherung in das Ideenmanagement steckt, erhält sie im Durchschnitt 3 Euro zurück. Ideenmanagement lohnt sich auch bei Banken und Versicherungen.
Diese Aussagen werden noch verstärkt, wenn man sich die besten Werte in dieser Branche ansieht:
Höchster aus der Branche Banken und Versicherungen genannter Wert | |
eingereichte Ideen pro 100 Beschäftigtem und Jahr | 58 |
Beteiligungsquote | 45 % |
Realisierungsquote | 54 % |
berechenbarer Nutzen pro Beschäftigten | 2856 € |
Die Höchstwerte von Beteiligungs- und Realisierungsquote sowie des berechenbaren Nutzens pro Beschäftigtem der Banken und Versicherungen liegen deutliche über den Durchschnittswerten aller Organisationen und weisen nach, dass auch Banken und Versicherungen ein herausragendes Ideenmanagement umsetzen können.
Handlungsempfehlungen für Banken und Versicherungen
Vier Banken bzw. Versicherungen berichten von einem berechenbaren Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr von über 500 Euro. Die anderen Banken und Versicherungen haben entweder gar keine Angabe gemacht oder berichten von einem berechenbaren Nutzen von weniger als 100 Euro pro Mitarbeiter. Diese vier Banken und Versicherungen betreiben also das wirtschaftlich erfolgreichste Ideenmanagement.
Was tun diese Banken und Versicherungen anderes?
Die Beteiligungsquote liegt zwischen 12 % und 45 %, die Realisierungsquote zwischen 13 % und 54 %. Das ist nicht weiter auffällig. Auffällig ist, dass keiner der Werte im Mittelfeld liegen. Die erfolgreichen Banken und Versicherungen haben sich also entschieden, entweder eine hohe Beteiligung anzustreben, oder bewusst nur auf Ideen von Beschäftigten zu setzen, die aus eigenem Antrieb einreichen. Ebenso haben sich diese Ideenmanager entschieden, entweder die Ideen streng zu überprüfen oder so lange an den Ideen zu feilen, bis sie umsetzbar sind. Mittelwege sind offensichtlich nicht die Sache erfolgreicher Ideenmanager in Banken und Versicherungen.
Drei der vier erfolgreichen Banken und Versicherungen nutzen die gesamte Modell-Palette: Sie setzen Innovationsmanagement und einen Kontinuierlichen Verbesserungsprozess und ein zentrales Betriebliches Vorschlagswesen ein. Die vierte erfolgreiche Bank hat zu den Modellen keine Angaben gemacht.
Die Haltung zu neuen Entwicklungen (quantitatives oder qualitatives Stakeholdervotings, Ideen-Sprints, Ideen Accelerators, …) scheint zwiegespalten: Lediglich eine Bank setzt die ein oder andere Neuerung ein. Aber auch hier sind alle Banken und Versicherungen radikal: Entweder wird eine neue Entwicklung ganz und gar eingesetzt, oder gar nicht. Ein bisschen testen, aber doch nicht ernsthaft nutzen – das ist nicht der Ansatz erfolgreicher Ideenmanager.
Der Top Management Unterstützung geben die erfolgreichen Ideenmanager durchweg 4 von 5 möglichen Punkten. Die Unterstützung durch Arbeitnehmervertretung und Software schwankt.
In den anderen Antworten unterschieden sich die erfolgreichen Ideenmanager nicht von den Einschätzungen anderer Banken und Versicherungen. Daher kann man zwei Handlungsempfehlungen für das Ideenmanagement in Banken und Versicherungen ableiten:
- Wenn Sie ein Werkzeug einsetzen wollen, dann tuen Sie es mit aller Konsequenz. Oder lassen Sie es ganz bleiben. Halbheiten sind nichts für das Ideenmanagement in dieser Branche.
- Nutzen Sie Innovationsmanagement und den Kontinuierlichen Verbesserungsprozess und das Betriebliche Vorschlagswesen. Jedes Modell hat seinen Einsatzzweck und seine Stärken. Ein richtig gutes Ideenmanagement steht auf allen drei Säulen.
Literatur
Nils Landmann und Hans-Dieter Schat 2018 Ideenmanagement Studie 2018 weitere Informationen
Hans-Dieter Schat 2017 Erfolgreiches Ideenmanagement in der Praxis. Wiesbaden: Springer-Gabler
Hans-Dieter Schat 2016 Neuorientierung im Ideenmanagement einer Bank. In: Marcel Seidel (Hg.) Banking & Innovation 2016. Wiesbaden: Springer-Gabler