Manche Ideen kann direkt vom Vorgesetzten entschieden werden, beispielsweise das Vorgesetzten-Modell des Betrieblichen Vorschlagswesens konzentriert sich hierauf. In diesen Fällen ist der Gutachter kein Engpass.
Viele Ideen müssen aber von einem Fachmann entschieden werden (oder von einer Fachfrau – vielleicht neutraler: Von einer Fachperson? Das liest sich auch irgendwie seltsam. Also hier der Disclaimer: Bei „Gutachter“ sind immer auch Gutachterinnen gemeint, bei „Einreicher“ auch Einreicherinnen etc.).
Die Stellungnahme von Gutachtern soll drei Eigenschaften liefern:
- Gutachten sollen schnell erstellt werden,
- Gutachtern sollen verständlich sein, auch für Leser, die nicht Fachleute in diesem Bereich sind, und
- Gutachten sollen juristisch einwandfrei, rechtssicher und unangreifbar sein.
Gutachten sollen schnell erstellt werden, weil die Lernpsychologie uns erklärt, dass schnelle Rückmeldungen erwünschtes Verhalten besonders gut verstärken – und eine Idee zu entwickeln und einzureichen ist ja unzweifelhaft ein erwünschtes Verhalten.
Gutachtern sollen auch schnell erstellt werden, weil mit der Idee ja ein Nutzen für die Organisation (also das Unternehmen, die Behörde etc.) verbunden ist. Dieser Nutzen soll möglichst schnell realisiert werden.
In einigen Organisationen sollen Gutachten schnell erstellt werden, weil das Ideenmanagement an der Kennzahl „Durchlaufzeit bis zur Entscheidung“ oder „Durchlaufzeit bis zur Umsetzung“ gemessen wird.
Gutachten dienen als Basis für die Entscheidung, ob eine Idee umgesetzt werden soll oder nicht. Nicht immer ist diese Entscheidung ganz einfach, häufig gibt es Argumente für und Argumente gegen eine Umsetzung. Manchmal kann eine Idee auch in verschiedenen Varianten umgesetzt werden. Die Vor- und Nachteile sollen den Entscheidern klar werden.
Im Falle einer Ablehnung soll dem Einreicher aus dem Gutachten nicht nur verständlich werden, warum die Idee nicht umgesetzt wurde, sondern auch Hinweise gegeben werden, wie die nächste Idee besser entwickelt werden kann, so dass dann eine Umsetzung möglich ist.
Schließlich kommt es zwar selten zu juristischen Auseinandersetzungen im Ideenmanagement, aber für diesen Fall ist ein Gutachtern auch besser rechtssicher formuliert.
Neben den direkten Anforderungen an die Gutachten werden an einen Gutachter weitere Anforderungen gestellt. Zunächst einmal ist ein Gutachter ja nur „nebenamtlich“ Gutachter und muss sein eigenes Tagesgeschäft führen. Gutachter sind die besten Fachleute auf ihrem Gebiet in der Organisation. Daher sind sie in aller Regel mit Arbeit gut ausgelastet.
Gutachter sollen auch über ihren Einsatz als Gutachter das Prinzip des Ideenmanagements umsetzen, den eigenen Arbeitsbereich kontinuierlich zu verbessern und so einerseits in der Organisation optimieren, andererseits auch als Vorbild im Ideenmanagement leuchten.
Wie die Boulette in einem Hamburger können sich Gutachter vorkommen.
Wie kann man nun dem Gutachter seine Arbeiter erleichtern – wie kann man den „Engpass Gutachter“ zumindest etwas erweitern?
Wissenschaftliche Analysen kann ich hier nicht vorlegen, „nur“ einige Erfahrungen aus der Praxis:
Selten hilft es, Gutachtern eine Prämie (oder eine Sonderzahlung o. ä.) für die schnelle Erstellung der Gutachten anzubieten. Gutachtern fehlt Zeit, nicht Geld. Wenn überhaupt, dann kann eine „Sonderprämie“ dabei helfen, als Einmal-Aktion einen Berg von aufgelaufenen Gutachtenaufträgen abzuarbeiten. Aber für den Normalbetrieb sind Gutachterprämien eher wirkungslos.
Man kann Druck auf Gutachter ausüben, etwa durch Mahnungen, die nicht nur an den Gutachter, sondern auch an dessen Chef und vielleicht noch weitere Menschen in der Hierarchie verschickt werden. Dies kann aber auch zu unerwünschten Effekten führen:
In einem solchen Klima werden sich häufig Gutachter für nicht zuständig erklären und versuchen, den Gutachtenauftrag weiterzuschicken. Die Durchlaufzeit verlängert sich so, weil es länger dauert, bis sich ein passender Gutachter gefunden hat.
In einigen Organisationen hat das Ideenmanagement ohnehin eine Randstellung – unverblümter gesagt: Das Ideenmanagement ist nicht besonders beliebt. In dieser Situation hilft es dem Ideenmanagement nicht unbedingt, wenn es auch noch Druck auf die Gutachter aufbaut und sich so noch unbeliebter macht.
Ein sinnvollerer Ansatz scheint zu sein, „Gutachten schreiben“ in der Organisation zu einer besonderen Aufgabe zu machen, für die man
- in den Kreis der Gutachter berufen sein muss, was eine besondere Auszeichnung und ein weiterer Meilenstein auf der Fachkarriere in der Organisation ist und
- eine besondere Gutachterschulung erfolgreich abgeschlossen haben muss, die wiederum Voraussetzung für weitere Karriereschritte ist.
Richtig wirksam ist: Der persönliche Kontakt. Manche Gutachter schreiben vielleicht nicht, weil es zu ihren Aufgaben gehört oder weil sie das Ideenmanagement so hoch priorisieren, sondern weil dieser nette Ideenmanager nun schon zum dritten Mal freundlich nachgefragt hat.
Auch an diesem Punkt sieht man also: Ideenmanagement ist „People Business“. Gut mit Menschen zu kommunizieren, dass ist eine der Grundvoraussetzungen für einen erfolgreichen Ideenmanager, und gut mit Gutachter zu kommunizieren hilft, diesen Engpass im Ideenmanagement nicht zu eng werden zu lassen.
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Beste Grüße aus Köln
Franziska Jacob